Ferien in Australien auf einer Farm

  • Ferien auf dem Bauernhof - das klingt nach Schlafen im Heu und nach Kindern, die erzählen, wie sie Pferde füttern durften. All das kann Urlaubern auch in Australien begegnen, wenn sie sich für "Farmstay" entscheiden. Wahrscheinlich machen sie aber auch andere Erfahrungen: Hitze, Trockenheit, große Distanzen und der ständige Kampf mit unerwarteten Widrigkeiten gehören für die Landwirte und Viehzüchter zum Alltag - und rasch auch zu dem ihrer Gäste. Auf Farmen und "Cattle stations" lernen Touristen ein Leben kennen, das wenig zu tun hat mit relaxten Stunden am Strand. Aber es vermittelt ein Gefühl dafür, was Australien im Innersten ausmacht.
    Das Gewehr liegt zwischen der gesplitterten Windschutzscheibe und dem Lenkrad, die Munition gleich daneben auf dem Armaturenbrett. Richard Pollock dreht den Zündschlüssel, mit kräftigem Rütteln springt der alte Pick-up an. Der Wagen hat kein Nummernschild. "Das brauchen wir hier draußen nicht", sagt der junge Rinderzüchter.
    Richard macht sich auf den Weg, um Zäune und Wasserstellen zu kontrollieren. Eine lange Tour steht ihm bevor, und trotzdem wird er am Abend nur einen Bruchteil seines Landes gesehen haben. Sein Land - das ist Wooleen, 300 Kilometer nordöstlich der Stadt Geraldton in West-Australien gelegen. Es ist ein Ort, den Richard über alles liebt. Als Zwölfjähriger ist er hier mit dem Motorrad verunglückt und hat sich das Bein gebrochen. "Erst nach fünfeinhalb Stunden wurde ich gefunden und in die Klinik nach Perth geflogen", sagt er. Bis dahin tränkte Richards Blut den Boden - das verbindet wohl für immer.
    Seit 16 Jahren hat die Familie Pollock regelmäßig Urlauber zu Besuch. Im Hauptgebäude gibt es Zimmer mit Vollpension. Das Mobiliar ist alt, eine Klimaanlage sucht der Gast hier vergebens. Doch sofort gehört er zur Familie und sitzt beim Abendessen mit am großen Tisch. Für Richard und seine Frau Heidi ist klar: "Das Hauptgeschäft sind die Rinder. Der Tourismus ist für uns eher eine Nebensache." Pro Nacht kostet der Aufenthalt bis zu 159 Dollar (etwa 100 Euro).
    Damit ist Wooleen ein Beispiel für viele Agrarbetriebe im Westen Australiens. "Viele Farmer haben erkannt, dass Tourismus ein zweites Standbein sein kann", sagt Jac Eerbeek, Chef der Tourismusvereinigung "Australia's Golden Outback" in Perth. Der Tourismus biete vor allem ein regelmäßiges Einkommen. Genau unterschieden wird dabei zwischen "Farmstay" in Betrieben mit Getreideanbau sowie "Stationstay" bei Viehzüchtern. Eerbeek schätzt die Zahl der "Farmstay"-Anbieter in West-Australien auf 80, die der "Stationstay"-Betriebe auf etwa 40.
    Auch Wooleen hat schwere Jahre hinter sich, in denen der Tourismus zum Rettungsanker wurde. "Früher gab es hier vor allem Schafe", sagt Richard, während er den Pick-up an niedrigem Gestrüpp vorbei über staubige Pfade steuert. "Doch ab dem Jahr 2000 herrschte Trockenheit, fünf Jahre lang. Wir hatten 20 000 Schafe, alle wurden verkauft." Ein Tornado zerstörte zudem die historische Hütte für die Schafschur. Ein Zurück zu den Schafen wurde dadurch zu teuer, stattdessen kauften die Pollocks Rinder, nachdem 2006 wieder viel Regen gefallen war.
    Auch etwa 10.000 Kängurus leben auf Wooleen, viel mehr als vor dem Beginn der Landwirtschaft im 19. Jahrhundert. Das liegt an den Löchern, an denen Windräder das Grundwasser hochpumpen, damit die Rinder genug zu trinken bekommen - auch die Kängurus bedienen sich da gerne. Mehr als 60 Wasserlöcher gibt es in Wooleen, und jedes muss jede Woche zweimal kontrolliert werden. "Das sind 1500 Kilometer Kontrollfahrten jede Woche", sagt Richard.
    Die Vegetation in diesem Teil Australiens ist nicht sehr üppig; eigentlich ist es ein Wunder, dass hier überhaupt Viehzucht betrieben wird. "Wir sind sehr davon abhängig, dass es ab und zu regnet", sagt Richard. Welche Probleme es geben kann, zeigt ein Stopp: Der Tank neben dem Windrad ist unten leck geschlagen, unaufhörlich strömt Wasser heraus und versickert. Über die Außenleiter klettert Richard hoch und springt hinein - mit einem Fetzen Stoff und ein paar Händen voll rotem Sand stopft er das kleine Loch. Improvisation ist im Outback gefragt. Wer handwerklich kein Geschick hat, wird scheitern.
    "Farmstay" und "Stationstay" sind vor allem bei europäischen Touristen gefragt, die nicht das erste Mal nach Australien kommen, sagt Tourismusmanager Eerbeek. Doch ob es die Angebote auch in 20 Jahren noch gibt? Richard Pollock ist skeptisch: "Alles wird immer teurer, Treibstoff ist unser größter Kostenfaktor." Eines Tages könnte sich die Fleischproduktion im Outback nicht mehr lohnen - und nur für Touristen würde wohl niemand den Betrieb aufrechterhalten.
    Doch soweit ist es noch lange nicht. Der Pick-up kommt zum Stehen, das Gewehr bleibt hinter dem Lenkrad liegen - heute hat Richard keinen Schuss abgefeuert. Es ist Zeit für den Aufstieg auf einen Hügel, den die Ureinwohner der Gegend "Boodra" getauft haben, "Ort des Wassers". Der Horizont ist oben mehr als 20 Kilometer entfernt, erst dahinter liegt die nächste "Cattle station". "Das ist alles Wooleen", sagt Richard und zeigt in jede Richtung. Nach Osten reicht das Weideland sogar noch 800 Kilometer weit, ehe es zur Wüste wird. (dpa)
    Informationen: Tourism Australia (Broschüren-Telelefon: 069/95 09 61 73)

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!