Berlin/ Sydney - Die moderne Wissenschaft ermöglicht es, kinderlosen Paaren den Wunsch nach Nachwuchs zu erfüllen. In Deutschland ist die künstliche Befruchtung streng geregelt - in Australien auch, nur eben anders. Die Frage nach moralischen und ethnischen Werten tut sich auf.
"Jane wollte jemanden, der groß und ein bisschen verrückt ist, mit blauen Augen und dunklen Haaren", erklärt die schlanke, braunhaarige, junge Frau. Welche Frau wünscht sich so etwas nicht? Groß und attraktiv mit einer guten Portion Humor: 80 Prozent der Frauen würden wohl ihren Traummann mit diesen Attributen beschreiben. Allerdings trügt die Annahme, diese Beschreibung sei für den Traumprinz einer jungen Frau gedacht. Nicht ihr zukünftiger Lebenspartner sollte über die angedachten Vorzüge verfügen, sondern der Samenspender ihres Kindes und damit in weiterer Folge das kleine Mädchen, das mittels künstlicher Befruchtung in die Welt gesetzt werden sollte. Was in Deutschland einen Aufschrei der Empörung auslösen würde, ist in Australien bereits Realität:
Das Risiko von schiefen Nasen, abstehenden Ohren, Sprachfehlern, Fehlstellung der Füßchen oder ähnlichem soll durch möglichst präzise Auswahl des Samenspenders so gering wie möglich gehalten werden. Sollte in den heimischen Samenbanken kein Spender zu finden sein, der den Anforderungen entspricht, darf auch international (z.B: in den USA) nach dem passenden Objekt/ Subjekt Ausschau gehalten werden.
In Deutschland ist ein solches Vorgehen undenkbar: Zwar haben mittlerweile auch Menschen in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften und Singles die Möglichkeit mittels künstlicher Befruchtung Kinder zu bekommen, Auswahlverfahren, bei denen die Wunscheltern mittels Katalog Merkmale ihres Babys bestimmen können, sind aber utopisch. Die Samenspende erfolgt absolut anonym. Kenntnis über die Identität des leiblichen Vaters hat nur die Samenbank. Mit Erreichen der Volljährigkeit wird dem Kind die Möglichkeit zugestanden, seinen genetischen Erzeuger kennen zu lernen, vorher darf aber weder den Wunscheltern noch dem Kind Information Preis gegeben werden.
Die Auswahl des potentiellen Spenders erfolgt durch den Arzt, der sich persönlich vom adäquaten psychosozialen und gesundheitlichen Zustand des Spenders und dessen Familie überzeugt. Besondere Beachtung wird hierbei eventuell auftretenden genetisch bedingten Krankheiten geschenkt.
Einsichtnahme in die Krankengeschichte der potentiellen Väter, um das Risiko für vererbbare Krankheiten zu minimieren, erscheint ethnisch und logisch nachvollziehbar. Aussehen, Charakterzüge und Geschlecht mittels Information über den Samenspender bestimmen zu wollen, stößt für viele an die Grenzen des guten Geschmackes und ist moralisch kaum vertretbar. In Fällen wie diesen neigt man schnell zu Verurteilungen und Vorurteilen. Schnell ist von "Retorten- " und "elitären Designerbabys" die Rede, die maßgenau für kinderlose Paare angefertigt werden.
Was allerdings oft vernachlässigt wird, ist die Tatsache, dass Paare, die auf natürlichem Wege Kinder zeugen können, diese Vorauswahl ebenso treffen. Nur nicht mittels Katalog und Excel- File. Anstatt digital einen anonymen Spender zu suchen, geht man in Bars, zu Single- Abenden oder Kuppel- Abendessen, oftmals mit demselben Ziel: Den Partner fürs Leben zu finden, mit dem man das "optimale" Kind in die Welt setzen kann. Ist der Hype ums "Designer- Kind" also übertrieben?
Ist diese Form Kinder zu bekommen eine moderne und unkompliziertere Version des traditionellen Kinderkriegens? Eine Version, die unfruchtbaren und homosexuellen Pärchen den Sprung ins kalte Wasser erspart, da mitbestimmt werden kann, wie in etwa das Kind sein soll, um das man sich die nächsten 18 Jahre aufopfernd kümmern soll? Die katholische Kirche spricht von einer "Entwürdigung der Fortpflanzung". Wie "würdig" es allerdings ist auf gut Glück das Kind eines vollkommen Fremden in die Welt zu setzen und sich zu verpflichten, jahrelang die Verantwortung dafür zu tragen, es zu lieben und zu pflegen, bleibt offen.
Verena Randolf
Die Woche in Australien
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