Wow! Also ich habe ja schon lange nicht mehr im Forum gelesen, aber ab und zu gucke ich mal rein und heute habe ich den gesamten Beitrag waehrend meiner (zugegeben verlaengerten) Fruehstueckspause gelesen.
Niemand ‚muss‘ in Australien bleiben. Ich habe viele Leute hier ‚scheitern‘ sehen bzw sich schlicht und einfach umentschieden haben, weil sie es sich eben alles anders vorgestellt haben und als es nicht geklappt hat oder das Heimweh zu gross war oder in der Familie was passiert ist, oder es eben einfach nicht so war wie sie es sich vorgestellt haben, dann sind sie eben wieder zurueck gegangen. Wem’s nicht gefaellt und wer sich nicht wohl fuehlt, kann ja gehen.
Ich finde es interessant zu lesen, wie es vielen hier ergangen ist und ich kenne auch einige Leute persoenlich, die es entweder geschafft haben oder nicht (schaffen wollen). Wenn ich mir Deine Betraege so durchlese, depende, hoert es sich so an als ob Dich der australische Staat hierher gelockt hat, weil es hier angeblich Jobs gibt, die Du nicht finden kannst. Die Leute sind Deiner Ansicht nach oberflaechlich, Adelaide ist langweilig, Melbourne voller Auslaender und eine work life balance exisitert nicht, weil wir (oder jedenfalls einige) wie Sklaven behandelt werden. Der Strom ist so teuer, weil die Haeuser schlecht insoliert sind. All diese Dinge kann man nun entweder so oder so sehen. Nehmen wir die Temperaturen: Du sagst es waren 13 Grad drinnen und Du musstest die aircon laufen lassen, weil es so kalt war. Als ich in meinem (eigenen) Haus im Westen von Brisbane (hoch ab aufm Berg) gewohnt habe, hatte ich einige kalte Morgende/Abende. Ich erinnere mich an einen Tag, wo es draussen auf der Veranda 8 Grad C waren (die Sonne kam gerade raus) und drinnen in meiner Kueche 4 Grad C. Ich habe mir einen heissen Kakao gemacht, eine Decke uebergezogen und draussen auf meiner Veranda die Bergwelt betrachtet. Warum ich mich so genau dran erinnere? Weil es ein wunderschoener Morgen war. Ich haette mich natuerlich auch ueber die schlechte Isolierung und das kalte Wetter aufregen koennen – haette das was geaendert? Nein, es haette nur meinen Tag verschlechtert.
Ich werde jetzt mal erzaehlen, wie es mir ergangen ist – ganz ehrlich und ganz subjektiv – ist schliesslich meine eigene Erfahrung und meine eigene Sichtweise.
Ich bin Ende 1997 nach widerstrebend nach Australien gegangen. Damals studierte ich halb in Deutschland, halb in Frankreich. Aber allse sagten mir, ich muesse Englisch lernen. Also auf nach Australien. Die Uni habe ich mir folgendermassen ausgesucht: Meeresbiolgie wollte ich studieren, heiss und trocken (regenmaessig) sollte es sein. Also auf nach Townsville. Ich konnte ganze 3 Saezte Englisch, hatte aber immerhin 3 Monate bis die Uni anfing. Nunja, um eine lange Geschichte kurz zu machen. Ich hab’s nicht geschafft in 3 Monaten Englisch zu lernen, um in der Uni mitzukommen. Daher war an nebenher arbeiten erstmal gar nicht zu denken. Es war heiss, aber auch feucht und alle meine Buecher/Schuhe/Klamotten schimmelten. Townsville war eine absolute Kleinstadt neben meinem geliebten Koeln und die Leute waren auch alle komisch. Ausserdem musste ich in einen bottle shop Alkohol kaufen und nicht im Supermarkt. Haette meine Eltern (die mir das Geld fuers Studium geliehen hatten) mich gelassen, waere ich sofort zurueck nach Deutschland! Ich fand es furchtbar!!! Aber ich habe weiterstudiert und mir gedacht, das Studium ist schon klasse, die Uni hat eine eigene Insel, wo wir zum tauchen hin sind – wo hat man sowas schon in Deutschland? Ok in Frankreich war es aehnlich, aber die Uni in Australien war wesentlich besser ausgestattet (Labor, Bibliothek), die Klassen kleiner (max 50 Leute) und die Professoren waren super hilfreich. Einen Job habe ich trotzdem nicht gefunden, das waere zwischen dem studieren auch schwierig gewesen. Damals habe ich prawns & crabs gefangen und verkauft, das reicht fuer ein Studentenleben. Spaeter fand ich ueber die Uni einen Job bei AIMS (Australian Institute of Marine Science) und leider merkte ich dann erst, dass ich keine Meeresbiologin sein moechte. Zu spaet!
2000 habe ich dann mein Bachelor erhalten und wollte zum Abschluss nochmal reisen. Ich hatte einen Job in Portugal als Freshwater Ecologist auf den ich mich freute, denn ich hatte nie vor in Austalien zu bleiben. Aber life changes while you live it und so traf ich waehrend meines Urlaubs auf meinen heutigen Mann und wollte nicht mehr nach Portugal. Ich wollte aber auch unter keinen Umstaenden ein Partner Visa. Wenn dann wollte ich es alleine schaffen und so beworb ich mich auf PR – Skilled Independent. Hat mich damals gut 10k gekostet. Ich musste einen Englischtest machen (obwohl ich schon 3 Jahre hier lebte und ein abgeschlossenes Studium hatte), ich musste mein degree anerkennen lassen (obwohl ich an einer australischen Uni studiert hatte) usw. Das Studenten bridging visum gab’s damals nicht. Da ich meine Zeit nicht mit warten vergeuden wollte und ja nicht mehr arbeiten durfte, entschied ich mich, meinen Master in Enironmental Engineering zu machen, was mir vom career counseling empfohlen wurde. Auf ging’s nach Brisbane – wo die Jobchancen aufgrund der Menge an Studenten wesentlich unmoeglicher waren als in Townsville. 1 Jahr habe ich es in Brisbane ausgehalten. Ich habe in einer WG gewohnt, weil die Mieten zu hoch waren fuer mich alleine. Ich habe studiert und nebenbei in einem Pub gearbeitet. Ich weiss noch, dass ich mich als cleaner beworben hatte und den Job nicht bekommen habe, weil ich nicht qualifiziert genug war....
Bevor ich meine Thesis fuer meinen Master schreiben musste, wusste ich, dass ich aus der Uni raus muss und aus Brisbane raus. Ich durchkaemmte die Zeitungen nach Industrien, wo ich meine Thesis schreiben koennte und fand eine oil shale refinery in Central QLD, die unheimliche Probleme mit ihrem Prozesswasser hatte. Also machte ich einen Termin mit einem der Manager (die Firma hatte, wie die meisten Firmen in QLD, ihren Hauptsitz in Brisbane) und praesentierte ihm meine Loesungsvorschlaege. Ich weiss noch wie ich dem Mann gegenueber sass – er, Mitte 50, Schlips und Anzug; ich, Anfang 20, auch im Anzug - und ihm erklaert habe, was seine Firma fuer Probleme hat und wie ich diese loesen kann. Nachdem ich mit meiner Praesentation (damals noch mit overhead projector ) fertig war, schaute er mich an und fragte: „And who are you?“ Ich erklaerte ihm, dass ich meine Thesis in seiner Firma schreiben wollte, er ueberlegte und ein paar Tage spaeter rief er mich an. Endresultat war: Firma bezahlte meinen Umzug nach CQ, richtete das Labor fuer mich ein, lies mich meine Thesis schreiben und bezahlte mir $525 (netto) a fortnight. Ich war so stolz und uebergluecklich!!! Ich mietete ein kleines Haus, und lernte richtig nette Menschen kennen. Mein Job war verdammt hart. Als junges unerfahrenes Maedel auf einer exploration site mit Maennern, die denken ich waere ihre neue Admin – es war verdammt schwer und ich habe viel geheult. Aber ich habe auch viel gelernt – uber meine Arbeit, ueber dieses Land und ueber Australier. Nachdem ich meine Thesis beendet hatte, bekam ich mein PR (dauerte 18 Monate) und ich fand schnell Arbeit als Laboratory Supervisor. Ich hatte trotz meiner Beziehung mit einem Australier und gluecklich im Job ect trotzdem Heimweh nach Deutschland.
2004 rief mich ein Headhunter an und ich nahm einen Job mit grossen Raffinerie in Europa an. Das gab mir die Moeglichkeit, mich von Deutschland und meiner Familie zu verabschieden, denn urspruenglich wollte ich ja nur 2 Jahre in Australien bleiben. Ich verdiente damals ca Euro 60k + Bonus im Jahr, was mir ein angenehmes Leben bescherte. Nach 2 Jahren hatte ich genug von Deutschland und wollte wieder nach Hause. Waere ich laenger in Deutschland geblieben, haette ich es riskiert, mein PR zu verlieren. Die Firma wollte mich nciht gehen lassen, weil ich mehrere grosse Projekte leitete. Also habe ich mich bei der Konkurrenz in Australien beworben und auch dort direkt einen Job bekommen. Gehalt AU$120k. Nach 3 Jahren war es dort nicht mehr so dolle und ich wollte mal was anderes machen. Es hat was gedauert, aber schliesslich fand ich einen FIFO Job, der einfach zu gut bezahlte, um ihn auszuschlagen. Ich wollte nie FIFO arbeiten und dachte mir, mach das fuer 18 Monate und alles ist ok.
Naja, nun mache ich Projekte und FIFO schon seit 2010 und kann mir nichts besseres vorstellen. Mein Haus gehoert mir und nicht der Bank, ich habe mehrere Investments, wir fahren oft in Urlaub (ich arbeite 28:28, also nur 6 Monate im Jahr). Wenn ich auf der Arbeit bin, sind das harte Tage – 28 Tage lang 12 Stunden am Tag zu arbeiten – bei Temperaturen ueber 40 Grad mit Staub und nichts als einen Ozean und 7000 Gasarbeiter um mich herum. Aber wenn ich nach Hause komme, geniesse ich 28 Tage lang nichts zu, entspannen, meine Tiere und meine kleine Farm. Mein Partner ist vor einigen Jahren in den Vorruhestand gegangen. Bei meinem Gehalt braeuchte er nicht mehr arbeiten meint er. Recht hat er. So kuemmert er sich um Haus & Land & Pool & Tiere, faehrt in Urlaub und geniesst das Leben. Ich liebe meinen Job. Ich liebe meine freie Zeit. So eine work-life balance haette ich in Deutschland nicht gehabt. Ich liebe die unendliche Weite und dass ich zum naechsten Nachbarn fahren muss. Sowohl meine australischen als auch meine deutschen Freunde sind absolut nicht oberflaechlich und wenn man sie braucht sind sie da – so zuverlaessig und ehrlich habe ich in Deutschland nur wenige kennengelernt (ich spreche von Freunden, nicht von Handwerkern ;-)).