Vom schwierigen Dasein als kleiner Bruder
Australiens Johnston-Krokodile sind überraschend nette Gesellen
Vom schwierigen Dasein als kleiner Bruder
Australiens Johnston-Krokodile sind überraschend nette Gesellen
In gutem Ruf stehen sie nicht, die Krokodile, und hin und wieder sind sie gar für negative Schlagzeilen besorgt. Doch gibt es auch solche, die nett sind: die nur in Australien vorkommenden Johnston-Flusskrokodile nämlich, die «kleinen Geschwister» der bösen Grossen. ...
In gutem Ruf stehen sie nicht, die Krokodile, und hin und wieder sind sie gar für negative Schlagzeilen besorgt. Doch gibt es auch solche, die nett sind: die nur in Australien vorkommenden Johnston-Flusskrokodile nämlich, die «kleinen Geschwister» der bösen Grossen.
Sie stehen in Verruf, und das völlig zu Unrecht – nur deshalb nämlich, weil ihre grösseren Geschwister so ungezogen sind. Die Rede ist hier von den sogenannten Süsswasser-Krokodilen oder Johnston-Flusskrokodilen, einer Art, die nur im tropischen Norden Australiens vorkommt. Die Wissenschaft nennt sie Crocodylus johnstoni, so benannt nach dem ersten Europäer, der die Spezies beschrieb. Im australischen Volksmund hingegen heissen die Tiere «freshies», was die Kurzform ist für «freshwater crocodile».
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In die Flüsse vertrieben
Zu ihrem Namen sind die Freshies auf unfreiwillige Weise gekommen. Zwar ist es richtig, dass sie vor allem den Mittellauf von tropischen Flüssen bewohnen; doch wenn es nach ihnen ginge, wären sie manchmal auch lieber dort, wo es Salzwasser gibt und damit Meeresfrüchte auf dem Speisezettel stehen. Nur regieren dort die «Salties», ihre bösen Brüder und Schwestern. Die Salzwasser- oder Ästuarkrokodile sind die grössten auf der Welt lebenden Reptilien; sie können bis zu sieben Meter lang und eine Tonne schwer werden, und sie sind aggressiv. Verbreitet sind sie im ganzen südostasiatischen Raum einschliesslich der nördlichen Küstengebiete Australiens, und wo sie sich zu Hause fühlen, dort sorgen sie gnadenlos für Ordnung. Das Salzwasserkrokodil (Crocodylus porosus) verteidigt sein Revier vehement und schnappt nach allem, was ihm in die Quere kommt – Menschen, die unvorsichtig genug sind, sich in potenzielles Krokodil-Habitat vorzuwagen, eingeschlossen. So kommt es immer wieder zu Berichten über spektakuläre Angriffe, die jeweils in Windeseile um die Welt gehen und die Krokodile in Misskredit bringen. Was dabei oft vergessen wird, ist der Umstand, dass bei Unfällen mit Touristen meist sträflicher Leichtsinn und das Missachten grundlegender Verhaltensregeln mit im Spiel waren.
Den Imageschaden davon haben auch die Freshies, obwohl sie eigentlich ganz harmlose Gesellen sind. Von den Salties unterscheiden sie sich durch ihre wesentlich schmälere und schlankere Schnauze. Ihre Zähne sind zwar spitzer und sehen furchterregend aus, doch schnappen die Freshies generell nur nach Bissen, die in ihr Maul passen – Menschen stehen damit nicht auf dem Menuplan. An Kraft würde es ihnen hingegen nicht fehlen; sie beissen ähnlich stark zu wie die Salties.
Entsprechend seinem gegenüber dem Menschen friedliebenden Charakter nimmt das Süsswasser-Krokodil in der Mythologie der Aborigines (Ureinwohner) einen positiv konnotierten Platz ein, ganz im Gegensatz zum Saltie. Letzteres, so besagt eine Legende aus der Kimberley-Region im Nordwesten Australiens, sei wegen seiner Grösse überheblich geworden. Deshalb sei es vom mythischen Schöpfer aus dem lebenspendenden Süsswasser vertrieben worden und habe sein Dasein fortan im Salzwasser fristen müssen. Das Flusskrokodil hingegen wurde zu einem Symbol für Gesetz und Autorität.
Barbecue-Abend mit dem Chef
Rein von seiner Erscheinung her nimmt man Mouse diese Rolle durchaus ab, und in seinem Reich ist er schliesslich auch der Chef. Mouse ist ein etwa drei Meter langes Freshie und die Attraktion des «Crocodile Night Adventure» auf dem Katherine River. In den regenarmen Monaten, wenn der Fluss befahrbar ist, kann man vom historischen Bauernhof Springvale Homestead aus Fahrten mit einem Motorboot unternehmen und in der Abenddämmerung beobachten, wie die Krokodile ans Ufer kriechen, wenn es ihnen im Wasser zu kalt wird.
An einem sandigen Platz ist für die Tourgäste dann schon alles für ein «bush barbecue» vorbereitet, und da dauert es nicht lange, bis sich auch Mouse hinzugesellt. Vom Geklimper eines blechernen Eimers angelockt, kriecht er an Land, nur wenige Meter von der erstaunten Besucherschar entfernt. Und er weiss sich auch zu benehmen: Geduldig wartet er am Strand auf die Fleischstücke, die er vom Tourguide jeweils bekommt, und sperrt wie fast auf Knopfdruck sein eindrückliches Maul auf.
Ein Krokodil solch imposanter Proportionen und völlig friedlich – das widerspricht der schlechten Presse, die diese Tiere weltweit haben. Tatsächlich lassen die Freshies den Menschen in Ruhe, solange sie auch von ihm in Ruhe gelassen werden. Und für die Menschen wiederum gibt es wenig Grund, ihnen zu nahe zu treten. Die Haut der Johnston-Krokodile ist kommerziell von wenig Wert, da die Tiere Knochenplättchen an Brust und Bauch haben, wo bei den Salties das begehrte Leder gewonnen werden kann. Zudem sind sie schwieriger zu häuten, und auch ihr Fleisch ist weniger schmackhaft als das von den «Bösen».
Quelle: http://www.nzz.ch