Australien: Bedrohliche Krötenwanderung
Von Diemut Klärner
Die Agakröte gilt in Australien als Landplage
Die amerikanische Agakröte gilt in Australien als Landplage. Im Jahre 1935 wurde sie jedoch gezielt dorthin gebracht. Auf Zuckerrohrplantagen in Queensland sollte sie dabei helfen, schädliche Insekten in Schach zu halten. Von den Plantagen zog sie freilich bald in die umliegenden Wälder, wo sie sich ihre Beute sucht. Auch wenn sie selbst zur Beute wird, ist sie eine tödliche Gefahr. Den giftigen Sekreten, mit denen sie sich gegen Angreifer wappnet, fallen nicht nur Hunde und Katzen zum Opfer. Nach Einschätzung von australischen Fachleuten wurden durch die Invasion der Agakröten mittlerweile Dutzende von alteingesessenen Arten drastisch dezimiert (Siehe auch: Australien: Tierschützer empört über Reklame für „Kröten-Golf“ ).
Während des vergangenen Jahrzehnts hat sich die Agakröte schneller ausgebreitet als je zuvor. Eine Schätzung aus dem Jahr 1995, der zufolge das Verbreitungsareal höchstens 0,7 Millionen Quadratkilometer erreichen würde, ist längst durch die Wirklichkeit widerlegt worden. Zurzeit tummeln sich die unliebsamen, bis zu zwei Kilogramm schweren Kröten auf etwa 1,2 Millionen Quadratkilometern, von Darwin, der Hauptstadt des Northern Territory, bis zum nordöstlichsten Zipfel von New South Wales. Wenn sie ihren Siegeszug durch Australien ungebremst fortsetzen können, werden sie schließlich wohl mehr als zwei Millionen Quadratkilometer besiedeln. Voraussichtlich bleiben dann nur die Wüstengebiete und das Bergland von dieser Plage verschont.
Temperatur nie unter fünf Grad Celsius
Im Gegensatz zu den bisherigen Prognosen basiert die aktuelle Schätzung nicht auf den Lebensbedingungen im Herkunftsgebiet der Agakröte. Stattdessen studierten Wissenschaftler um Mark Urban von der Yale University in New Haven (Connecticut) und Benjamin Phillips von der University of Sydney die Tiere in ihrer neuen Heimat. Dabei stellte sich heraus, dass die Kröten dort inzwischen deutlich widerstandsfähiger sind als ihre amerikanischen Artgenossen, was die neuen Zahlen erklären kann.
Von Texas bis zum tropischen Südamerika bevölkert die Agakröte ausschließlich Regionen, in denen die Temperatur nie unter fünf Grad Celsius fällt oder über 37 Grad steigt. In Australien erobert sie dagegen neuerdings auch Lebensräume, in denen es merklich kälter oder wärmer wird („Proceedings of the Royal Society“, Teil B, Bd. 274, S. 1413). Mit den heißen Sommern im Norden von Westaustralien könnte sie folglich ebenso zurechtkommen wie mit den kühlen Wintern im Süden und Südwesten.
Langbeinige Exemplare besonders mobil
Die Widerstandsfähigkeit gegen Hitze und Kälte deutet auf eine Anpassung an das neue Ambiente hin. Angesichts der zahlreichen Nachkommenschaft - ein Weibchen legt pro Saison bis zu 35.000 Eier - ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass vorteilhafte genetische Varianten auftreten. Dass die australischen Agakröten außerordentlich wanderfreudig sind, haben Wissenschaftler der University of Sydney schon vor einiger Zeit in der Zeitschrift „Nature“ (Bd. 439, S. 803) berichtet. Eine der Kröten, die sie mit kleinen Sendern bestückt hatten, marschierte in einer Nacht 1,8 Kilometer - weit mehr, als solchen Tieren zugetraut wurde.
Wo die Agakröten bereits vor Jahrzehnten Fuß gefasst haben, besitzen sie wie in ihrer amerikanischen Heimat eine gedrungene Statur. Unmittelbar an der Invasionsfront findet man dagegen auffallend langbeinige Exemplare, die sich als besonders mobil erweisen. Kein Wunder also, dass sich die Ausbreitungsgeschwindigkeit rasant gesteigert hat, von jährlich rund zehn Kilometern in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts auf derzeit mehr als fünfzig Kilometer pro Jahr.
Den Westen und Süden hat sie noch nicht erreicht
Gut gerüstet für australisches Terrain ist die Agakröte von Anfang an gewesen. Wie ihr wissenschaftlicher Name Bufo marinus verrät, ist sie nicht auf reines Süßwasser angewiesen. Ihr Nachwuchs kann auch in Brackwasser gedeihen. Deshalb kommt sie mit salzhaltigen Wasserstellen in den Trockengebieten ebenso zurecht wie mit küstennahen Laichgewässern. Nach Einschätzung der Forscher könnte sie in Australien langfristig drei Viertel der Küstenlinie besiedeln.
Den Westen und Süden des Kontinents hat sie bislang zwar noch nicht erreicht. Aber selbst, wo Berge und Wüsten als natürliche Barrieren den Vormarsch stoppen, ist zu befürchten, dass die giftige Kröte früher oder später eingeschleppt wird - düstere Aussichten für die einheimische Fauna.
Quelle: http://www.faz.net