16. Oktober 2007, 23:02 – Von Manuela Kessler
Australien lässt Kamele statt Pferde rennen
Auf der Rennbahn von Sydney rennen nicht mehr Pferde um die Wette, sondern Kamele.
Sämtliche Pferderennen sind in Australien gestrichen. Eine Vorsichtsmassnahme, denn eine Pferdegrippe grassiert seit August im Riesenland und breitet sich rapide aus. Sämtliche 95 000 Tiere landesweit stehen unter Quarantäne. Die direkten und indirekten Kosten der Seuche summieren sich bereits auf über eine Milliarde Franken. Und ob das in Angriff genommene Impfprogramm die Epidemie einzudämmen vermag, steht noch in den Sternen.
Eine zündende Idee
Depression herrscht unter den Pferde- und Wettfreunden zugleich. Abhilfe tut Not, findet John Demesney, der Manager von Sydneys Turfclub im Harold Park. Zur Hebung der Stimmung, wie er sagt, hat er vier Kamelrennen auf den Klubkalender gesetzt. Der erste Renntag letzten Sonntag war ein durchschlagender Erfolg, wenn man den überschwänglichen Zeitungskommentaren glaubt. Speed Hump, Sand King, Sir-Hump-A-Lot und Shorty Smith, das Kamel, das bereits fünf Weltmeistertitel unter den Höckern hat, rannten vor rund 10 000 Zuschauern um die Wette.
Die höckrigen Tiere wurden von weiblichen Jockeys _ nicht von Knaben wie im Nahen Osten _ zu einer Geschwindigkeit von gegen 40 Stundenkilometern angetrieben. Zum Spektakel trug dem Vernehmen nach bei, dass die Kamele nicht immer gerade vorwärts stürmten, sondern durchaus einen eigenen Willen zeigten.
Vom Arbeits- zum Wildtier
Wer glaubt, Kamelrennen seien Australien fremd, der irrt. Sie haben in Down Under durchaus Tradition, seitdem Kamele im frühen 19. Jahrhundert aus Afghanistan eingeführt wurden, um als Arbeitstiere beim Bau der Eisenbahn- und der Telegrafenlinien zu dienen. Als sie nicht mehr gebraucht wurden, wurden sie einfach freigelassen. So kommt es, dass Australien heute schätzungsweise 500’000 wilde Kamele zählt. Im Hinterland sind Rennen mit den höckrigen Vierbeinern populär. In den Grossstädten aber belächelte man die Kamelrennen bisher als Zeitvertreib für Hinterwäldler. Erst die Pferdegrippe leitete jetzt ein Umdenken ein. Der Manager des Turfclub Harold Park hofft auf einen grossen Publikumsaufmarsch auch bei den nächsten Kamelrennen, obwohl sie von der australischen Wettorganisation TAB nicht anerkennt werden. Ein Wermutstropfen: Kein Geld kann auf Sir-Hump-A-Lot oder Shorty Smith gesetzt werden. Aber auch das kann sich ändern.
Quelle: tagesanzeiger.ch