Wer Hartleys Reptilpark in Nordqueensland besucht, dem wird gleich am Eingang der 29 Hektar großen Anlage jeglicher eventuell bestehender Zweifel genommen: das „Abenteuer” im englischen Firmennamen („Hartleys Crocodile Adventures”) ist keine leere Versprechung. Um in das Gelände mit seinen 1500 Meter langen Holzsteg-Lehrpfaden, den Lagunen und Sumpfgebieten zu gelangen, muss man erst die Eintrittsbedingungen akzeptieren. Und die dürften jedes Abenteuerherz höher schlagen lassen: „Sie betreten diese Anlage freiwillig und auf eigenes Risiko”. „Hartleys Crocodile Adventures akzeptiert keinerlei Verantwortung für Todesfälle, Verletzungen oder Verluste, die Besucher dieser Anlage in irgendeiner Weise erleiden”.
Knapp 40 Kilometer nördlich von Cairns und 25 Kilometer südlich von Port Douglas liegt der mehrfach ausgezeichnete Öko-Park am Fuße der beeindruckenden MacAlister Ranges, wo Regenwald und das Great Barrier Reef aufeinandertreffen. Allen voran Ted, der mit seinen 5.2 Metern Länge und einem Meter Breite und seinen stolzen 900 Kilogramm nicht nur den Besuchern aus aller Welt Respekt einflösst, sondern auch seinen Artgenossen im Park. 80 Jahre ist der Krokodilpatriarch alt und neben 14 weiblichen Krokodilen und zwei weiteren männlichen Artgenossen, Bewohner der eigens angelegten Lagune im Park, in der sie sich frei bewegen können.
Allen Fotofreunden zum Glück können die Raubtiere unter Wasser nicht schlucken und kommen daher zum Kauen an die Wasseroberfläche. Und wer dabei nicht genug Schnappschüsse ergattert hat, der kann sich im Anschluss selbst mit Krokodil im Arm ablichten lassen. Zum Beispiel mit Rudolph, einem von einer Handvoll Fotomodelle im Park. Er ist mit seinen zwei Jahren einer der älteren Krokodile, die so ihren Lebensunterhalt verdienen. Gerade mal einen Meter lang, ist sein kleines Mäulchen mit mehreren Lagen Tesafilm umwickelt. Zum Schutz, denn die niedlichen Zähnchen könnten problemlos eine Hand abbeißen, erzählt die Hartleys Fotografin Samantha. Rudolph sei „a good one”, andere ihrer „Mitarbeiter” seien aggressiv und würden sie gelegentlich schon auch mal anpinkeln.
Bei weitem weniger energetisch zeigen sich die Koalas des Öko-Parks, die unweit vom Fotostand in einem kleinen Gehege auf kahlen Ästen lautstark vor sich hinschnarchen. Niedlich sehen sie aus. Doch der Schein trügt, meint einer ihrer Wärter lachend. Eigentlich müsste es nicht „Crocodile-Attack-Show” heißen, die Hauptattraktion von Harleys, sondern „Koala-Attack-Show”, denn die knuddeligen Blattverzehrer seien für mehr Angriffe verantwortlich, als jedes andere Tier im Zoo. Um Punkt 15 Uhr, wenn die warme Sonne im Norden Queenslands nicht mehr ganz so heiß vom Himmel brennt, steht die „Crocodile-Attack-Show” auf dem täglich gleichen Programm.
„Die beste Krokodil-Show in Australien!” wie sie – ohne eine Spur von Bescheidenheit – im Werbeprospekt beschrieben wird, inklusive der „berüchtigten Todesrolle mit Kopfschleuder”. Leider kam DIE WOCHE nicht mehr in den Genuss dieser Darbietung. Vier Stunden Parkdurchforsten bei 32 Grad und fast 100 Prozent Luftfeuchtigkeit hatten ihre Spuren hinterlassen. Und einen mehrtägigen Besuch ist der Reptilpark auf alle Fälle wert. Denn neben den beeindruckenden Krokodilen in der Lagune und in den zahlreichen Groß- und Einzelgehegen (darunter auch der knapp 35 Jahre alte und 400 Kilo schwere Sollie”, benannt nach dem Hund, den er am Neujahrstag 1988 zu sich nahm), sollte man sich auch mit Ruhe die vielen Wasservögel, Schildkröten, Wallabys und Kasuare, ansehen, die zuhauf im Park leben. Und sich auch die Krokodilfarm, in der kommerziell zukünftige Handtaschenbestücker und Hamburgerbestandteile herangezüchtet werden, nicht entgehen lassen. 86 Tage dauert es, bis die Krokodilleier, die dort bei 32 Grad gehalten werden, schlüpfen. In großen Betonbecken werden sie zunächst mit Insekten, dann Hühner- und Kängaruhhackfleisch und schließlich mit Hühnerköpfen hochgepäppelt, bis ihnen im Alter von knapp zwei Jahren und einem Meter Länge das begehrte „Fell” über die Ohren gezogen wird. Verarbeitet wird es in Japan und Italien und nicht selten findet man es in Form einer Armani Handtasche am Handgelenk der Schönen und Reichen wieder.
Wer weiß, vielleicht trägt die ein oder andere Touristin darin auch ein mit Rudolph aufgenommenes Foto mit sich herum. Vermutlich, ohne der kurzen, gemeinsamen Zeit in Cairns, als das kleine Krokodil bis zum Druck des Kameraauslösers in ihren Armen lag, auch nur eine Krokodilsträne nachzuweinen.
Nadja Mack
Die Woche in Australien