Ort: Surfers Paradise, QLD
Zeit: ueber 3 Monate
Die aktuelle Jobsituation fuer den typischen (ich nenne es mal) "Schulabgaenger Backpacker" hier sieht mehr als schlecht aus. Seit meiner Ankunft hier hat sich das zu keinem Zeitpunkt verbessert. Diese Einschaetzung wage ich einerseits, da ich durch meine Arbeit als Rezeptionist in einem Hostel mit unglaublichen vielen Leuten in Kontakt komme und andererseits durch meine eigenen Erfahrungen.
Was wie ein Widerspruch in einem Satz aussieht klaert sich folgendermassen auf: Durch Zufall haben das Hostel bei dem ich arbeite ALLE Rezeptionisten fast gleichzeitig und teils ueberraschend verlassen. Durch Zufall war ich zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle. Normalerweise werden naemlich ausschliesslich 'native speakers' fuer Rezeptionsjobs eingestellt UND diese bleiben in der Regel mindestens 4 Monate. Lange Rede kurzer Sinn: ich arbeite mittlerweile seit ueber 3 Monaten in diesem Hostel.
Wie schon in der Ueberschrift erwaehnt bekomme ich, sowie auch meine Freundin 'free accomodation'. Was bedeutet, dass wir unsere Naechte in einem nennen wir es rudimentaer eingerichteten 6 bed dorm verbringen. Dafuer muessen wir allerdings ueber 50 Stunden pro Woche hier im Hostel arbeiten. Nimmt man (laut Chef) an, dass man bei einem eher schlechter bezahlten Job ca 10 Dollar/Std verdient wuerde das bedeuten, dass wir ueber 500 Dollar pro Woche fuer unsere Unterkunft ausgeben. Hinzukommt, dass auch nach Arbeitsende (8 Uhr) IMMER mindestens eine Person im Hostel bleiben muss (sollte es zu irgendwelchen Unfaellen, Feuern etc kommen).
Warum finden Hostels Menschen wie mich die diesen Job machen, obwohl es offensichtlich Ausbeutung ist?
Damit kommen wir wieder zu Arbeitslage. Wie ich bereits eingangs geschrieben habe, ist die Jobsituation hier in Surfers fuer die meisten Backpacker so schlecht, dass Jobs wie dieser die einzige Moeglichkeit sind wenigstens Geld zu sparen. Von verdienen kann ja hier keine Rede sein.
"Gar keine Jobs - das kann ja gar nicht sein"
... werden sich viele jetzt denken und damit liegen sie auch nicht voellig falsch. Qualifizierte Arbeitskraefte werden - nicht in Massen aber fuer verschiedenste Positionen - gesucht. Bei den wenigen Stellen, die unqualifizierten Backpackern (hinsichtlich Arbeitserfahrung) zur Verfuegung stellen sieht die Situation so aus:
Durch die unglaubliche Zahl an Backpackern, die sich hier in Surfers Paradise befinden und dem entsprechend grossen Teil an Englaendern, Kanadiern und anderen 'native speakern' ist die Konkurrenz schon allein innerhalb dieser Gruppe gross. Deshalb koennen es sich Arbeitgeber leisten non-native speaker keine Beachtung zu schenken.
Fuer diese letzte Gruppe der non-native speaker bleiben zwar noch Stellen uebrig, allerdings hat dies auch trifftige Gruende.
Wie es wahrscheinlich auch andererorts ueblich ist, rufen gelegentlich Arbeitgeber in Hostels an, um Backpacker fuer Gelegenheitsjobs anzuheuern.
Auf diese Weise bin auch ich zu einem gardening Job gekommen, den ich ueber laengere Zeit hatte. Ohne ins Detail gehen zu wollen, moechte ich nur sagen, dass mein Arbeitgeber mich Morgens um 8 Uhr abgeholt hat und ich abends um 9 Uhr wieder im Hostel war. Der Stundenlohn lag bei 12 Dollar. Reine Arbeitszeit waren nie mehr als 8 Stunden. Das lag daran, dass die Fahrt zu seiner Farm ueber eine Stunde in Anspruch nimmt (auf der ich den Job ausgebuebt habe) sowie an diversen Betaetigungen, die mein Arbeitgeber - nachdem er mich abgeholt hatte - noch zu erledigen hatte.
Beispielsweise musste jedes Mal bevor wir auch nur die Stadt verlassen haben erstmal sein Sohn von zu Hause abgeholt und in die Schule gefahren werden. Danach standen teilweise Erledigungen wie ein Frisoerbesuch, der woechentliche Familieneinkauf o.ae. auf dem Programm.
Alles in allem hat er es wirklich jedes Mal zu Stande gebracht mindestens 2 Stunden laenger zu brauchen als es die Fahrtzeit erfordern wuerde.
Auf Grund der strengen Anweisung JEGLICHE Pausen von meiner Arbeitszeit abzu ziehen (selbst Buchfuehren war angesagt und nicht ohne Hintergedanken seinerseits aber dazu spaeter) sah er anscheinend einfach nicht die Notwendigkeit. Hinzu kam, dass ich taeglich um 8 Uhr bereitsein sollte abgeholt zu werden, weil es im leider unmoeglich war mir frueher mitzuteilen, ob er "die Zeit finden wuerde" (er ist Rentner und sieht seine Farm als Hobby, dass er natuerlich nur ausuebt, wenn er Lust hat).
Daher war es nicht unueblich, dass ich teilweise um 9 Uhr einen Anruf erhalten habe, dass ich heute nicht zu arbeiten haette oder aber mich doch fuer spaeter bereithalten sollte. Alles natuerlich ohne ersichtlichen Grund, sondern rein nach seinem Gusto.
Puenktliche Bezahlung war leider auch nur ein Wunschtraum. Auf mein Draengen hin und nach langen Diskussionen (hier sind wir bei seinen Hintergedanken) und einigen Tagen warten, habe ich meinen Lohn fuer ueber 2 Monate schlussendlich doch noch erhalten.
Gespraeche mit anderen Gaesten und eine Eintageserfahrung bei einem anderen Arbeitgeber im gleichen Sektor zeichnen ein aehnliches Bild.
Rein von meiner Erfahrung ausgehend hat dieser andere Arbeitgeber meinen vorherigen noch uebertroffen. Auf die aehnlich lange Fahrtzeit folgten koerperlich sehr anspruchsvolle 10 Stunden Arbeit (Baustelle), an sich auch bei sehr geringem Stundenlohn (8 Dollar) noch akzeptabel, jedoch wurde mir widerwillig ein Schluck Leitungswasser gewaehrt und nicht selten wuerde mein Arbeitgeber zu schnellerem Arbeiten anhalten. Das ich aber keiensweges langsam, oder faul war zeigt sich daran, dass sich unter dem selben Arbeitgeber eine Reihe von Gaesten versucht haben. KEINER hat es laenger als meine 10 Stunden ausgehalten. Der erste gab nach 1er Stunde auf.
So und so aehnlich lesen sich 95% aller Erfahrungsberichte, die mir hier im Hostel zu Ohren gekommen sind. Fairnesshalber muss, allerdings auch festgestellt werden, dass die uebrigen 5 % sehr gut bezahlte Jobs oder zumindest unter fairen Bedingungen haben.
Zuletzt
...moechte ich nur sagen, dass ich mir darueber voellig bewusst bin, dass es letztenendes meine freie Entscheidung ist diese Jobs zu machen. Dementsprechend will ich hier weder Mitleid erhaschen noch sind Kommentare wie "selbst Schuld" noetig.
Worum es mir geht ist (in einer ganzen Reihe von Posts) ueber Dinge aufzuklaeren, die oft unerwaehnt bleiben und in Folge dessen das Bild des entspannten Backpackerlebens in Australien etwas zurecht zuruecken.
Mir ist genauso klar, dass die Erfahrung einer Person einen geringen Aussagewert fuer die Gesamtsituation hat. Bezogen auf Surfers Paradise jedoch und in Anbetracht der Zeit, die ich hier verbracht habe halte ich es fuer wissenswert.