Münster - Als kleines Techtelmechtel im Wonnemonat Mai hatte sie begon nen, die ungewöhnliche Liebe eines schwarz-gefiederten Trauerschwans zu einem weißen Tretboot in Schwanengestalt auf Münsters Aasee. Mittlerweile entpuppt sich die Leidenschaft des Tiers zu seinem deutlich größeren, vermeintlichen Artgenossen aus Plastik als dauerhafte Liaison. Fast schon ein Wahrzeichen Münsters sei der schwarze Schwan mit dem roten Schnabel geworden...
Selbst in den Souvenirshop der westfälischen Stadt hat es der eigentlich in Austra lien heimische Trauerschwan bereits geschafft. Dort findet sich seit Kurzem zwischen Münsterländer Korn, Wilsberg-Krimis und regionalen Fahrradkarten auch das unglei he Liebespaar - als Schneekugel. Auch ein Kinderbuch über die tragische wie anrührende Geschichte ist in Planung. „Bilder und Text gibt es schon”, sagt Münster shop-Inhaber Heiner Steggewentz.
Die beim Schütteln der Schneekugel her umwirbeln den weißen Flocken lassen indes beim Segel schulchef am Aasee und Tret bootschwan-Besitzer Peter Overschmidt Ungewissheit auf kommen: „Irgend wann, spätestens wenn der Aasee friert, müssen wir das Tretboot ja mal reinnehmen. Ich weiß nicht, wie es weiter gehen soll”, sagt er fast schon traurig mit Blick auf den Winter.
Die Chance, dass die Sommerliebe die kalte Pause an Land überdau ert, stehen nach Ansicht der Biologin Andrea Klein aber recht gut. „Dieser Schwan ist ja kein echtes Wildtier, sondern ausgesetzt worden oder aus gerissen. Sonst wäre er nicht derart fehlgepräg t”, sagte die Expertin von der Biologischen Station „Rieselfelder Münster” mit Blick auf das Tretboot als Bezugs ier. Selbst wenn das Boot wetterbedingt in die wasser nahe Halle der Segelschule müsse, sei das Überleben des monogam veranlagten Trau erschwans möglich. „Wichtig sind nur Wasser und Futter.”
Zuver sichtlich dürfen die Münsteraner also sein, auch weil die Zuneigung von Boots verleiher Overschmidt für den neuen Tret boot- Gefährten schon jetzt recht weit geht. So lehnte er jüngst den Wunsch aus dem Münsterland kurzer hand ab, das Schwanen-Tretboot für eine Hochzeit zu mieten, um ein frisch gebackenes Ehepaar über kleine aber entfernte Wasserkanäle zu schippern. „Das kann ich doch dem Trauerschwan nicht antun.”
Neben seinem noch bis in den Oktober reichen den Tagesgeschäften mit Segelkursen und Bootsverleih hat sich Overschmidt auch zum Schwanexper ten gemausert. Neben Interviews fürs japanische Fernsehen, einer Live-Schaltung ins schottische Radio erzählt er häufiger vor bei schauenden Schulklassen aus Münster die Geschichte vom Trauerschwan - „eine atemberaubende Entwicklung”.
Der Schwan indes dreht weiter seine Runden. Seine weiße „Partnerin” aus Kunststoff stetig im Blick, ist er mal an den im kleinen Yacht hafen liegenden Booten anzutreffen und mal Gras zupfend inmitten zahlloser schnatternder Enten und einiger sonnenhungriger Studenten auf der Aasee-Freitreppe. Oft umrundet er aber einfach nur seine bis auf leichte Wellenschwankungen sonst regungslose „Liebste”. Ob die Plastikdame tatsächlich zu einer unend lichen Love-Story taugt, oder doch nur eine Lebensabschnittsgefährtin war, entschei det sich frühestens in einigen Wochen. Von Juliane Albrecht, dpa