Das tägliche Ritual.
Ich weiß, ich weiß, ich kann mich eigentlich nicht beklagen, bei einer Schmerzgrenze von 7:00 sind meine Puschels ja durchaus der humaneren Welche - bei einer Dosine mit Ein- und Durchschlafstörungen, bei der sich die Leuchtziffern des Radioweckers zum letzten Mal um 4:26 in die Netzhaut brannten jedoch ist das trotzdem einfach schmerzhaft. Und Sonntag ist heute außerdem.
Es beginnt mit einem dreifachen Klonkkkk. Und ja, das reicht schon, um mich zu wecken, das ist ja das Problem (die üblichen Heimkehrer um Mitternacht, der BMW mit türkischer Utzutzmusik um 2:00 und so weiter)!
Klonkkkk heißt "wir haben unsere Nachtschlafplätze verlassen und schleichen uns langsam an".
Ach wie herzig, das Trippeln kleiner, kralliger Pfoten auf dem Parkett....
Auch ohne die Augen zu öffnen, weiß ich, wie die Kampfformation aussieht.
Frida sitzt im Bücherregal links neben dem Bett und starrt. Und Fridas Starren kann man quasi hören.
Inigo und Aslan schauen derweil mal, was im Schlafzimmer an Unterhaltung so geboten ist. Kann man was runterschmeissen, kann man einen Socken erbeuten, oder steht vielleicht gar der Kleiderschrank ein wenig auf?
Jetzt nur nicht bewegen, das ist wie beim Beamtenmikado. Wenn der Dosi sich bewegt, hat er verloren!
Ploppp.
Fumpppp.
Inigo und Aslan landen auf dem Bett und beginnen sofort mit der Patrouille. Einer latscht mir auf den Busen. Schwer und mit spitzen, sehr spitzen Krallen - muss Aslan sein. Es macht weder Bummm noch Pffffft, also ist weder was geplatzt, noch entweicht irgendwo die Luft. Alles was passiert ist, ist eine weitere Viererkette von Perforationslöchern an einer Stelle, die man dem Hausarzt nicht erklären möchte, aber man gewöhnt sich ja an Einiges.
Ich bemerke, dass ich meine Schiene für das Zähneknirschen nicht trage, denke an den strengen Blick meines Zahnarztes und höre auf zu Knirschen.
Fmmmafmmmmafmmma. Jemand geht mir mit der Nase durchs Gesicht.
Ich stelle mich tot.
Plötzlich faucht es laut zu meiner Linken, patsch, heul und Lützow's wilde verwegene Jagd hetzt über meinen Körper.
Einer der Katerdeppen ist Frida zu Nahe gekommen und es passiert, was immer passiert, wenn das passiert. Er fängt sich eine - und die ist nicht von schlechten Eltern, kleinster Norweger der Welt hin oder her!
Krallen bohren sich an verschiedenen Stellen in meinen hilflosen Körper und es entringt sich mir ein "AutschihrHundsbuam mussdasdennwirklichsein ZackelZementnocheinmal" und.... ich habe verloren.
Sie wissen jetzt, das ich wach bin.
Aslan jodelt den fröhlichen Erzherzogin-Christine-Jodler und Inigo fügt dem ein quietschiges Brrrpmwah Aggah Iiip hinzu.
Jetzt wird im Sekundentakt auf mein Bett gehüpft und wieder runter.
Aslan gibt mir zärtliche Nasenstüber, die ein Magermodel mit einem BMI unter 18 glatt vom Bett hauen würden.
Inigo gibt den verhaltensgestörten Tiger - er rennt zwischen Hüfte und Gesicht auf und ab und achtet peinlich genau darauf, dass bei jedem Umdrehen auf Nasenhöhe der Schwanz maximalen Kontakt zu meinem Riechorgan bekommt.
Ich knurre "GebtmirnochfünfminutenihrDeppenbittebitte" und drehe mich um. Ein taktischer Fehler.
Inigo macht Milchtritt auf meiner Wirbelsäule zwischen den Schulterblättern.
Aslan gräbt meinen linken Fuß aus und putzt ihn.
Frida starrt. Sozusagen mit verstärkter Lautstärke.
Das Konzert nimmt an Intensität von Minute zu Minute zu.
Ich vergewissere mich, dass es tatsächlich schon nach 7:00 ist, hoffe trotzdem, dass die Nachbarn nix hören und schalte auf stur.
Doch dann passiert es.
General Frida macht Mäpp und verläßt ihren Posten.
Das scheint das Zeichen für die leichte, wenn auch ungeschickte Infanterie zu sein.
Plopp - wrrrr - klirrr.
Sprung auf den Nachttisch - Messinglampe wackelt - Glasschirm klingelt noch ein wenig nach.
Klackklackklack.
Ich reiße die Augen auf und brülle "Niggeldumistviech denknichtmaldran". Nicht, dass das JEMALS hier irgendwen beeindruckt hätte.
Zwei völlig unschuldig aussehende Augen blicken mich an. Verschwommen. Darunter etwas Blaues. Verschwommen.
Mit vollem Mund kommt ein etwas undeutliches Brrrpmwah Aggah Iiip und Inigo ist ab durch die Mitte.
Mit meiner Brille.
Er weiß ganz genau, dass mich das aus dem Bett bringt. Sicher. Zuverlässig. Schnell. Jedes verdammte Mal.
Also springe ich auch heute wieder von null auf hundert und von waagerecht auf senkrecht in nullkommazwo Sekunden. Der Kreislauf bleibt vorsichtshalber erstmal noch liegen und harrt der Dinge, die da kommen sollen.
Der eine Fuß landet zielsicher mit der empfindlichsten Stelle auf der Kante des Buchs von gestern Abend, das in einem unbemerkten Moment dort von fleißigen Pfoten platziert wurde.
Der andere landet auf einem Socken und fährt auf dem Parkett Schlittschuh. In die falsche Richtung, natürlich.
Die dicke Frau fängt sich in letzter Sekunde und hetzt mit der Eleganz eines wütenden Zwergflußpferds hinter einem grauweißen Blopp her.
Im Flur folgt der traditionelle IchhättedieSchuhewegräumensollen-Veitstanz, dicht gefolgt von der AchhieristderGummiballvonLeogrins-Tarantella im Wohnzimmer.
Vor der Küchentür hält der Blopp an.
Brrrpmwah Aggah Iiip.
Ich könnte schwören, er grinst mich an, aber ohne Brille kann das natürlich auch eine optische Täuschung sein.
Und sie haben es wieder mal geschafft.
Ich gebe auf.
Bücke mich, wische die Brille am Nachthemd ab.
Brille auf die Nase, Trofusack auf, Fütterung der Raubtiere, gefräßige Stille.
Normalerweise würde ich an einem Sonntag ja die Gelegenheit nutzen noch mal ins Bett zurückzurobben, aber heute dachte ich mir, was soll's, kann ich's doch gleich mal zur Ergötzung der anderen Verrückten hier aufschreiben und Posten.
Merke: There is no snooze button on a cat who wants breakfast.
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Meine Katzen haben so etwas nie gemacht. Sonst haette ich die Schlafzimmertuer dick isoliert und geschlossen. Hunde sind da etwas besser, falls sie nicht dauernd raus zum pippeln muessen, weil die bessere Haelfte mal wieder Sosse mit Zwiebeln gefuettert hat.