Hallo misskiwi,
Deine Aussage kann so nicht stehenbleiben. "Wer arbeiten WILL, findet Arbeit" ist schon, nett ausgedrückt, unter der Gürtellinie.
Ich vermute, du arbeitest in einer sehr gefragten Branche oder bist noch recht jung (oder beides).
Wie kannst du so eine allgemeine Aussage machen? Die Realität in D kann auch so aussehen (und ich bin weit entfernt von irgendeiner Jammerei, den noch geht es mir sehr gut):
Mein Mann und ich sind Mitte 40, seit ca. 5 Jahren arbeiten wir nicht mehr nur, um unseren Lebensunterhalt zu verdienen, sondern wir kämpfen jeden Tag um unser und das berufliche Überleben unserer Mitarbeiter.
Mein Mann ist Kfz-Meister und wurde einer grossen deutschen Werkstattkette (die an die Börse wollte) nach 7 Jahren zu teuer. Also weg mit ihm. Unter 4 Augen wurde ihm gesagt, geh freiwillig mit etwas Geld oder nicht, du gehst in jedem Fall!
Nach 4 Monaten durfte er 1 Monat auf Probe in einer Werkstatt arbeiten (bezahlt vom Arbeitsamt, also 1 Monat vom Steuerzahler bezahlte Arbeitskraft für ein Autohaus). Dann gab´s einen befristeten Arbeitsvertrag, nach 4 Monaten war Schluss.
Nur durch Beziehungen hat er nun einen guten Job, der allerdings täglich 90 km einfache Strecke Anfahrt erfordert.
Bei mir ist es noch besser: meine Branche (Bekleidungsherstellung) stirbt schon seit Jahren. Ich habe einen Konkurs mitgemacht, nach 12 Jahren Tätigkeit eine betriebsbedingte Kündigung 2005 (nach 2 Jahren Krisenmanagement mit kurzfristiger Urlaubsstornierung, Kündigungswellen etc.).
Nach 5 Monaten Arbeitslosigkeit, in der ich meinen Arbeitsberater ermutigte und nicht er mich!!, bin ich seit 1 1/2 Jahren wieder in Arbeit, allerdings kämpft auch diese Firma ums Überleben. Wieder Krisenmanagement. Nächste Woche werden wieder 15 Mitarbeiter entlassen.
Mein Arbeitsplatz findet immer mehr im Ausland statt: osteuropäische Länder, China, Bangladesch, je ärmer und billiger, umso besser.
Nur damit alle ihre billigen t-shirts kaufen können.
Meine ehemaligen Arbeitskollegen bekommen gerade selbst ihre Kündigungen und rufen mich an, ob ich ihnen weiterhelfen kann.
Meine persönliche berufliche Zukunft sieht katastrophal aus, ich werde in Zukunft im Ausland, aber kaum noch in D arbeiten können.
Von einem 13. Monatsgehalt kann ich nur träumen, mein Mann ebenfalls.
Also was schreibst du da?????? Es gibt Branchen, die keine Perspektiven mehr bieten. Und ab einem bestimmten Alter schon gar nicht.
Wir werden schon über die Runden kommen, aber wir sind kein Einzelfall. In unserem Freundeskreis verlieren gerade in unserem Alter immer mehr ihren Job:
- einer fliegt zwischen Düsseldorf und München hin und her und ver-
bringt seine Woche nicht bei der Familie
- einer zieht gerade mit Anfang 50 nach Stuttgart, um das Rentenalter
noch berufstätig zu erreichen
- einer hat sich mit 50 noch mal selbstständig gemacht, mit vollem Risiko
- einer (in Hamburg) mit Mitte 40 mit vollem Risiko selbstständig gemacht
- 2 gute Freunde nach Kanada ausgewandert, kämpfen dort allerdings
auch ums Überleben
- einige bleiben einfach auf der Strecke...einige haben sich mit dem
Sozialstaat arrangiert
Jeder, der WILL, findet eine Arbeit? Ja, aber zu welchem Preis?
- Ich werde in Entwicklungsländern arbeiten, mein Mann in D oder gar nicht
- Freunde ziehen um, langjährige Freundschaften zerfallen.
- in meiner Branche ziehen heute schon einige alle 2 Jahre um, da kein Job
länger sicher ist
So und wie Zwickel es geschildert hat, sieht meine gelebte Realität in D aus. Ich komme damit klar, aber schön ist was anderes.
Das einzig positive an meinem Job ist, dass ich nach jeder Rumänien-, Mazedonien-, China- und so weiter - Reise weiss, wie gut es mir eigentlich noch geht.
Das musste raus. Gruss
pauline