Von Deutschland aus betrachtet wirkt Australien wie ein wahres Paradies. Seit Jahren waechst die Wirtschaft des Landes stetig, liegt das Bruttoinlandsprodukt bei durchschnittlich 3,1 %. Die Arbeitslosenquote nimmt seit Jahren ab und scheint sich nun bei 5,2 % eingependelt zu haben. Und selbst die Staatsverschuldung wurde ueber die Jahre hinweg abgebaut, in der letzten Aprilwoche sogar beglichen. Dies alles sind Zahlen, von denen Laender wie Deutschland nur traeumen koennen. Doch was steckt hinter den Zahlen? Sieht Australiens Wirtschaft wirklich so rosig aus?
Betrachten wir zuerst das Wirtschaftswachstum Australiens. Dieses wird hauptsaechlich gespeist durch zwei Faktoren: 1. die Rueckstaendigkeit der australischen Wirtschaft und 2. die reichen Rohstoffvorkommen des Landes.
Dass die australische Wirtschaft rueckstaendig ist, ist wahrscheinlich schon so ziemlich jedem Europaer aufgefallen, der zeitweise in dem Land Down Under gearbeitet hat. Nicht nur dass die Landwirtschaft kaum ueber Erntemaschinen verfuegt und deshalb in hohem Masse auf die Hilfe auslaendischer Gastarbeiter angewiesen sit, auch die Industrie hinkt kraeftig hinterher. Nehmen wir das Beispiel einer mittelstaendischen Lebensmittelfirma in Victoria. Der hier produzierte Kaese wird zu einem Grossteil noch per Hand hergestellt. Erst in den letzten Jahren ist man zaghaft dazu uebergegangen, Maschinen aus Deutschland zum importieren, um die Produktion effizienter zu gestalten. Und diese Firma ist kein Einzelfall. Viele australische Firmen produzieren noch auf diesselbe erschreckend rueckstaendige Weise. Erst allmaehlich beginnen sie mit der schrittweisen Mechanisierung des Produktionsprozesses. Durch diesen kann die Produktion der Fabriken gesteigert werden. Die Unternehmen maximieren ihre Gewinne und als kumulativen Effekt nimmt auch das gesamtaustralische Wirtschaftswachstum zu.
Gleichzeitig beruht das Wirtschaftswachstum auf den reichen Rohstoffvorkommen Australiens, die das Land geschickt zu nutzen weiss. Rohstoffe wie Gas, Kohle, Kupfer, Oel aber auch Uran werden in riesigen Mengen gewonnen und anschliessend in alle Welt exportiert. Und an diesen Exporterloesen verdient Australien gut um nicht zu sagen sehr gut. Allein im letzten Jahr kamen durch den Rohstoffhandel 56,9 Milliarden Dollar ins Land. Das ist mehr als der Export von Landwirtschaftsprodukten und Industrieguetern zusammen eingebracht haben.
Allerdings birgt dieses leicht verdiente Geld auch Gefahren wie man etwa am Beispiel Russlands sehen kann. Seit Jahren wenn nicht sogar Jahrzehnten konzentriert sich die Wirtschaft des Landes auf den Export profitabler Rohstoffe wie Oel oder Gas, weil sie rasch hohe Gewinne versprechen. Andere Industriezweige wurden dadurch vernachlaessigt. Neue Technologien wurden nicht mehr entscheidend gefoerdert. Notwendige Anpassungsprozesse an den Weltmarkt blieben aus. Im Endeffekt ist die russische Wirtschaft heute dem internationalen Wettbewerbsdruck nicht mehr gewachsen. Firmen gehen pleite, Menschen werden arbeitslos, von wenigen Ausnahmen abgesehen verarmt das Gesamtvolk. Auch wenn man natuerlich das russische Beispiel nicht eins zu eins auf Australien anwenden kann, so ist doch eine Feststellung universell gueltig: Reiche Rohstoffvorkommen bergen die Gefahr, dass notwendige Anpassungsprozesse der Wirtschaft an den Weltmarkt ausbleiben.
Wie verhaelt es sich nun mit der geringen Arbeitslosenkeit in Australien? Fuer diese sind zwei Faktoren verantwortlich: 1. erneut die Rueckstaendigkeit der australischen Wirtschaft und 2. die hohe Abwanderungsrate gerade junger Menschen.
Zu dem ersten Punkt wurde ja bereits einiges gesagt. Betrachten wir doch an dieser Stelle wieder das Beispiel der mittelstaendischen Kaesefirma in Victoria. Bei dieser ist die Fabrikhalle gefuellt mit ungelernten Arbeitskraeften. Aufgrund des geringen Mechanisierungsgrades der Produktion werden diese Menschen gebraucht, um solch monotone Arbeiten wie das Befestigen von Aufklebern auf den Kaeseverpackungen oder das Einsortieren der einzelnen Kaesepackungen in groesseren Kartons nachzukommen. Alles Beschaeftigungen, die in deutschen Fabriken vor Jahren bzw. Jahrzehnten bereits von Maschinen uebernommen wurden. Im rueckstaendigen Australien werden sie noch von Menschen erledigt, die dementsprechend Arbeit haben und zu der geringen Arbeitslosenquote beitragen.
Haeufig uebersehen wird auch die Tatsache, dass viele junge Menschen Australien verlassen. Ganze 10 % der Australier zwischen zwanzig und Mitte dreissig kehren ihrem Mutterland den Ruecken, um in Grossbritannien oder andernorts zu leben und zu arbeiten. In vielen Faellen sind diese Auswanderer sogar Hochschulabsolventen, die fuer sich selbst in Australien keine Moeglichkeit sehen, qualifiziert zu arbeiten. Fuer sie bieten sich im Ausland mehr Chancen, ihre erworbenen Faehigkeiten gezielt einzusetzen. Diese Megrationsbewegung wirkt sich naturgemaess positiv auf die Arbeitslosenquote aus. Laengerfristig kann es jedoch fatale Folgen fuer Australien haben, wenn alle klugen Koepfe das Land verlassen. Wer soll sonst dafuer sorgen, dass die australische Wirtschaft innovativ und vor allem international wettbewerbsfaehig bleibt?
In der derzeitigen Situation ergeben sich fuer die australische Wirtschaft zwei moegliche Zukunftsszenarien: 1. In Australien werden die notwendigen Strukturreformen durchgefuehrt und der Wohlstand kann langfristig gesichert werden. 2. In Australien bleiben alle Strukturreformen aus und das Land stuertzt in wenigen Jahrzehnten ins wirtschaftliche Chaos.
Das erste Szenario ist sicherlich der "best case". Die australische Wirtschaft schreitet nun auf dem bisher nur zoegerlich betretenen Weg der Modernisierung entschieden voran. Die australischen Firmen investieren verstaerkt in neue Technologien. Die Rueckstaendigkeit der australischen Wirtschaft kann endlich ueberwunden werden. Australien befindet sich schliesslich auf Augenhoehe mit den uebrigen Industrienationen. Gleichzeitig animiert eine solche Entwicklung viele der ansonsten auswanderungswilligen Hochschulabsolventen dazu, doch im Land zu bleiben. Werden doch gerade dann ihre neuen und innovativen Ideen gefragt. Leidtragende dieses Mechanisierungsprozesses sind allerdings die zahllosen ungelernten Arbeitskraefte. In Folge der zunehmenden Mechanisierung fallen ihre Jobs bald weg und sie muessen langwierige Fortbildungen und Umschulungen absolvieren. In der Zwischenzeit steigt natuerlich die Arbeitslosenquote signifikant und die amtierende Regierung geraet unter den Druck, dem sich auch die derzeitige Regierung in Deutschland ausgesetzt sieht. Der Vorteil dieses Szenarios besteht allerdings darin, dass Australien international wettbewerbsfaehig bleibt und zwar selbst dann noch, wenndie eigenen Rohstoffreserven erschoepft sind. Australien wird somit unabhaengig von Gas, Uran und anderen Rohstoffen und kann endlich lernen auf eigen Fuessen zu stehen. Denn so und nur so kann der Wohlstand Australiens auch in Zukunft gesichert werden.
Das zweite Szenario ist dagegen der "worst case". "Worst" auch deswegen, weil er leider wahrscheinlicher ist als das erste Szenario. In diesem Fall schreitet die australische Wirtschaft nicht auf dem eingeschlagenen Weg der Modernisierung voran, verlaesst diesen sogar. Notwendige Strukturreformen bleiben aus. Es kommt zum Exodus der jungen australischen Intelligenz. Es herrscht Stillstand. Die zunehmende auslaendische Konkurrenz wird zwar wahrgenommen (bereits jetzt hat Australien ein Handelsbilanzdefizit von 22,6 Milliarden Dollar), aber nicht darauf reagiert. Stattdessen waegt man sich in der vermeintlichen Sicherheit, die ergiebigen Rohstoffquellen wuerden schon den eigenen Wohlstand sichern. Doch diese Sicherheit ist truegerisch. In wenigen Jahrzehnten sind die australischen Rohstoffvorkommen erschoepft und das Land muss sich der harten Realitaet des internationalen Wettbewerbs stellen. Ohne die notwendigen Strukturreformen jetzt wird die australische Wirtschaft diesem Druck nicht standhalten koennen und im Chaos versinken.
Egal welches Szenario auch eintreten wird, die australische Wirtschaft heute steht am Scheideweg. Sie kann entweder die notwendigen Strukturreformen durchfuehren, um auch in Zukunft wettbewerbsfaehig zu bleiben. Oder sie kann weiter so machen wie bisher, vortaeuschen, dieses Land waere ein Paradies, nur um dann in absehbarer Zukunft in der Hoelle des 21. Jahrhunderts aufzuwachen. So oder so wird Australien steht Australien vor weitreichenden Veraenderungen.
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Der Autor wurde per PN aufgefordert benutzte Zitate mit entsprechenden Quellenhinweisen zu ergänzen.
Hilfsweise hier der vermutliche Quellenhinweis nach eigener Recherche. http://www.australien-australien.de/australische-w…scheideweg.html
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