Hallo Zusammen,
geht es Euch auch so, daß, wenn man voller Begeisterung durch ein anderes Land fährt, einen viel offeneren Blick für alles entwickelt? Nicht nur für die Attraktionen, die man gezielt oder zufällig ansteuert, sondern auch für die Alltäglichkeiten ? Ich finde, wer immer schon mal Geschichten, so richtig aus dem Leben gegriffen, Geschichten, die sich so in Australien zugetragen haben, aber durchaus auch woanders stattgefunden haben könnten, erzählen wollte, sollte es doch einfach mal machen !
Geschichten wie zum Beispiel Diese:
Jabiru, Kakadu Nationalpark, im Mai letzten Jahres.
Auf dem Campingplatz, ausgelegt für mindestens 100 Camper, befanden sich höchstens ein Dutzend Fahrzeuge. Es wurde Abend, dann sehr schnell Nacht. Wir saßen vor dem Camper, die Ruhe und das kalte VB genießend. Vom nächsten Camper, fünf oder zehn Stellplätze weiter weg, hörte man noch Geschirr klappern, dann auch dort: Stille.
Scheinwerferlicht kam von der Einfahrt, ein verspäteter Camper fuhr an unserem Stellplatz vorbei. Dann plötzlich, ein Piepsgeräusch, signalisierend, im Camper wurde der Rückwärtsgang eingelegt, der Fahrer hatte, trotz des ansonsten völlig leeren Platzes, offensichtlich Gefallen am Stellplatz direkt neben dem Unseren gefunden. Muß man nicht drüber jubeln, verbieten kann man es aber auch nicht !
Türenschlagen signalisierte uns das Ende der absoluten Stille. Campingtisch und Stühle wurden vom Fahrer aufgebaut, derweil die Dame des (fahrbaren) Hauses mit den Essensvorbereitungen in der Küche begann, von uns zu beobachten durch die nur wenige Meter entfernte Heckscheibe. Der Hausherr, zwischenzeitlich mit dem Aufbau von Tisch und Stühlen fertig, begab sich in die Küche und legte seine Arme um die ihm offenbar angetraute, mit dem Rühren der Soße beschäftigten Dame. Keine Reaktion, Weiterrühren in der Soße, deshalb weitere Umarmungen, tiefer gelegene Körperteile miteinbeziehend. Ein kurzes Kopfdrehen der Frau, ein Blick, dessen Kälte auch uns Außenstehende – bzw. sitzende trotz der abendlichen Wärme erschauern ließ, dann Weiterrühren in der Soße. Ein aufgebender Ehemann, der sichtlich resigniert den Camper verließ und im davor aufgebauten Mobiliar Platz nahm.
Stille ! Ein geknickt im Campingstuhl sitzender, verschmähter Gatte, eine ansonsten völlig regungslos Soße rührende Ehefrau. Außer dem gelegentlichen Zischen, verursacht durch das Öffnen der von uns zügig, aber ohne Hast getrunkenen VB Dosen, nichts. Dann, nach gefühlten Ewigkeiten, die Ehefrau trägt die Soße zum inzwischen gedeckten Tisch. Strahlendes Lächeln beim Ehemann in Erwartung des Beginns einer Konversation, kontinuierlich eiskalter Blick bei der Ehefrau, die, ohne das Essen anzurühren, zum Mobilphon griff und ein Telefongespräch begann, welches ewig zu dauern schien, zwischendurch immer wieder eiskalte Blicke auf den kauenden Ehemann werfend. Zeit für uns, über den Gesprächspartner Mutmaßungen anzustellen: Entweder der Scheidungsanwalt oder die Schwiegermutter des nun nicht mehr strahlenden, aber weiterhin kauenden Gatten.
Ein Schatten bewegte sich auf den Camper des glücklichen Paares zu, kam, noch unsichtbar für telefonierende Frau und kauenden Mann, um die Ecke. Ein Tourist aus dem Land der aufgehenden Sonne zückte den Fotoapparat und begann, den Camper aus allen Lagen und Winkeln zu fotografieren. Wie von der Tarantel gestochen, sprang der kauende Ehemann auf und stürmte auf den entsetzt Reißaus nehmenden Fotografen zu. Auf eine Verfolgungsjagd verzichtend, nahm ein noch mehr geknickter, von der das Geschirr wegräumenden Frau völlig ignorierter Ehemann wieder im Campingstuhl Platz. Offensichtlich überraschte es Ihn auch nicht mehr, daß ein weiterer Annäherungsversuch, hier das Greifen nach der Hand der Gattin, nicht nur eiskalt, sondern geradezu empört von dieser unterbunden wurde.
Zeit zum Gnadenschuß, befand ich, begab mich in unseren Camper und setzte den DVD Player in Gang. „Wir sind die Jungs von der Opel Gang“ verkündeten die „Toten Hosen“ für jedermann hörbar. Mit Schmerz- oder wutverzerrten Gesicht sprang der vernachlässigte Gatte auf, räumte, nein: schmiss das Mobiliar in seinen Camper, ignorierte das erste Mal an diesem Abend die erschrocken dreinschauende Ehefrau in der Küche und brachte sein Wohnmobil in Gang. Schnell entfernte sich der Camper aus unserem Blickfeld.
Das Traumpaar haben wir nie wieder gesehen ! Mit dem japanischen Fotografen haben wir uns am nächsten Morgen noch sehr nett unterhalten !